SUT Interview: Der Marketingexperte Prof. Dr. Rembert Horstmann über Marketing in Krisenzeiten

In Zeiten von Corona ist professionelles Marketing besonders gefordert. Im SUT-Interview zeigt der Marketingexperte Prof. Rembert Horstmann Wege auf, wie Logistikunternehmen die Krise für ein glaubwürdiges Marketing nutzen können. Sein Plädoyer: Glaubhaftes Sozialverhalten und Kommunikation zahlen auf die Marke ein.

SUT: Welche marketingrelevanten Veränderungen sind Ihnen nach Ausbruch des Coronavirus aufgefallen?

Horstmann: Generell lässt sich beobachten, dass die soziale Komponente in unserer Gesellschaft stark an Bedeutung gewonnen hat. Das gemeinschaftliche Miteinander sowie Respekt, Hilfsbereitschaft und Wertschätzung der Menschen untereinander haben eine neue Dimension erreicht. Diese Aspekte haben viele Unternehmen sehr schnell für Ihre Marketingkommunikation übernommen. Viele neue Werbekampagnen zum Beispiel im Fernsehen oder gemeinnützige Hilfsinitiativen von Privatpersonen oder von Corona geschädigten Unternehmern sind ein Beleg dafür. Unsoziales Verhalten in Krisenzeiten, wie im Fall Adidas, wird abgestraft und bewirkt einen nachhaltigen Vertrauensverlust bei den Konsumenten. Das Kontaktverbot führt zu einer Zwangsdigitalisierung und neuen Geschäftsideen in vielen Bereichen. Die Kirche bewegt sich und auch der traditionell familiengeführte stationäre Einzelhandel fällt mit kreativen Vermarktungsideen auf. Die Menschen vermissen jedoch persönliche Kontakte und sehnen sich nach sozialer Nähe und persönlicher Interaktion mit Freunden, Familie und Kolleginnen und Kollegen in einem sicheren Umfeld, trotz aller digitalen Kommunikationsalternativen.

SUT: Was bedeuten diese Veränderungen für die Marketingstra­tegie der Unternehmen?

Horstmann: Ich glaube und hoffe, dass die neue soziale Komponente in unserer Gesellschaft die Krise überdauern wird und jedes Unternehmen sollte daher sein soziales Engagement auf den Prüfstand stellen oder ausbauen und in das Marketing integrieren. Es geht nicht um einen sozialen Überbietungswettbewerb, sondern um glaubhaftes und engagiertes Sozialverhalten seitens der Unternehmen. Auch werden die Themen Sicherheit und Schutz für die eigenen Mitarbeiter und die der Kunden ein bestimmendes Marketingthema sein. Die Digitalisierung wird unaufhaltsam voranschreiten, aber nach der Krise wünschen sich die Menschen vermehrt persönliche Kommunikation und Interaktion, dies sollte das Marketing unbedingt berücksichtigen.

Aus meiner Sicht sollte das soziale und verantwortungsvolle Handeln der Unternehmen dauerhaft zu einem festen Bestandteil der Marke werden, um somit das Vertrauen in die Unternehmen nachhaltig auszubauen. Das Unternehmen als verantwortungsvoller Bürger ist nicht nur in Krisenzeiten als CSR-Strategie von Relevanz.

SUT: Ist es denn überhaupt sinnvoll, in Krisenzeiten über die Marke nachzudenken?

Horstmann: Unbedingt. Eine gut positionierte Marke eröffnet die Möglichkeit, sich vom Wettbewerb abzugrenzen. Dies ist in Krisenzeiten umso wichtiger. Eine Differenzierung muss nicht zwingend durch das Kerngeschäft des Unternehmens erfolgen. Gerade in der Logistik, wo viele Dienstleistungen von den Kunden eher als Pflichtprogramm denn als Spitzenleistung wahrgenommen werden, eröffnen sich durch soziales und verantwortungsvolles Handeln neue Differenzierungspotenziale. Die Logistik ist in der Krise nicht nur systemrelevant, sondern ein verlässlicher und engagierter Garant für die Versorgung unserer Gesellschaft. Die zu Krisenzeit erfahrene Wertschätzung sollte unbedingt für die künftige Markenführung der Logistikunternehmen genutzt werden. Auch kann die Logistik als Branche davon profitieren, um ihr Image in der breiten Öffentlichkeit zu verbessern.

SUT: Was würden Sie den Unternehmen in der jetzigen Krise für das Marketing emp­fehlen?

Horstmann: Das Gewinnen von Neugeschäft oder das Verlängern von bestehendem ist jetzt sicherlich schwieriger als sonst. Viele potenzielle Kunden in Industrie und Handel agieren derzeit vorsichtig, weil sie noch nicht einschätzen können, wie es genau weitergeht. Das heißt aber nicht, dass man im Bereich Vertrieb und Marketing untätig sein sollte. Man könnte die Zeit dafür nutzen, in enger Zusammenarbeit mit den Vertriebskollegen Werbematerial, Fallstudien, Service- und Produktpräsentationen oder -beschreibungen auf den neuesten Stand zu bringen. Online-Schulungen jeglicher Art bieten sich momentan ebenfalls an. Ganz wichtig ist das Signal: Wir stehen trotz Einschränkungen bereit und sind einsatzfähig, jetzt und in der Zeit nach Überwindung der Krise.

Jedes Unternehmen, ob Logistikkonzern, Spedition, Reederei oder Lkw-Transportunternehmen, kann sein Marketing zielführend nutzen. Es gilt, soziales und verantwortungsvolles Handeln zu zeigen und seine Marke damit positiv aufzuladen. Dies ist unabhängig von der Unternehmensgröße. Stellen Sie Ihr Licht nicht unter den Scheffel und kommunizieren Sie ehrlich und glaubhaft Ihre Absichten und Ihre Motivation nach innen und nach außen. Insbesondere die interne und externe Kommunikation ist in Krisenzeiten entscheidend (siehe Infokasten). Trotz der Errungenschaften und Möglichkeiten der Digitalisierung werden in der neuen Normalität das Zwischenmenschliche und die persönliche Beziehung wieder in den Vordergrund rücken.

SUT: Herr Prof. Horstmann, vielen Dank für das Gespräch. ­

Das Interview führte Hans-Wilhelm Dünner.

10 Tipps für die Kommunikation in der Corona-Krise:

Besonders in der jetzigen Corona-Krise erweist sich die Kommunikation nach außen und nach innen als zentrales Element der Markenpflege. Was Prof. Rembert Horstmann den Logistikunternehmen empfiehlt:

  1. Zeigen Sie gerade jetzt Ihr Gesicht nach außen.
  2. Halten Sie zu Ihren Kunden regelmäßigen Kontakt.
  3. Informieren Sie, falls noch nicht geschehen, Ihre Kunden über die von Ihnen getroffenen Maßnahmen, mit denen Sie die eigenen Mitarbeiter und die der Kunden schützen.
  4. Zeigen Sie, dass Sie beides tun: Dass Sie maximale Vorbeuge- und Schutzmaßnahmen umsetzen und trotzdem für die Kunden bereitstehen.
  5. Heben Sie anhand von Beispielen hervor, wie gerade Sie als Unternehmen mit Ihrem Logistik-Service einen unentbehrlichen Beitrag für die Gesellschaft zur Überwindung der Krise leisten.
  6. Vergessen Sie nicht, auch Nachrichten und Themen zu kommunizieren, die nichts mit der Krise zu tun haben. Damit signalisieren Sie, dass Ihr Geschäft trotz großer Einschränkungen weitergeht.
  7. Beziehen Sie die Kurzarbeitenden in die internen Kommunikationskanäle ein, indem Sie zum Beispiel eine passwortgeschützte Webseite einrichten, welche die Kurzarbeitenden von zu Hause aus aufrufen können. Damit zeigen Sie Verbundenheit: Ihr gehört nach wie vor zu uns.
  8. Zeigen Sie als Management Solidarität mit den Mitarbeitenden. Solidarischer Verzicht-auch aufseiten des Managements setzt positive Signale und untermauert Ihre Solidarität.
  9. Drücken Sie gegenüber Ihren Mitarbeitenden Ihre Wertschätzung aus, denn viele Mitarbeiter im gewerblichen Bereich arbeiten jetzt unter erschwerten Bedingungen, indem Sie zum Beispiel Mund- und Nasenschutzmasken tragen oder für ausgefallene Kollegen mit Mehrarbeit einspringen müssen.
  10. Zeigen Sie Zuversicht, nicht blinden Optimismus, im Hinblick auf die Zeit nach der Krise.

Folge #1 – Wie man die Vermarktung für einen Aufzug aufzieht.

Prof. Dr. Rembert Horstmann
ist Professor mit dem Lehr­gebiet Marketing & Vertrieb an der CBS International Business School in Köln, Unternehmensberater und Aufsichtsrat.