Prof. Dr. Rembert Horstmann zum Markenmanagement in der Logistik

Wenn wir heute online shoppen gehen, verschwenden wir kaum einen Gedanken an die Prozesse, die dann im Hintergrund loslaufen, an die logistische Meisterleistung, die erbracht werden muss, damit unser Einkauf oft schon am nächsten Tag bei uns zu Hause ankommt. Aber nicht nur wir als Konsumenten – auch und vor allem die Industrie profitiert von den Leistungen einer Branche, die gut und gerne als Rückgrat unserer Wirtschaft bezeichnet werden kann: Die Logistikbranche. Einer Branche, die trotz ihrer hohen Relevanz ein Schattendasein führt und oftmals sogar Gegenstand negativer Diskussionen ist. Gelten Branchen wie IT, Energie oder Maschinenbau als innovativ für die Prosperität unseres Landes, rennt die Transport- und Logistikbranche ihrem Anspruch hinterher, zentraler Motor unserer Wirtschaft zu sein.

Immer wieder wird die Branche von einem Imagekiller ausgebremst, der allgegenwärtig ist: dem Lkw. Als Monster-Truck, Umweltsünder oder Staufaktor verschrien, denunziert der Lkw das Ansehen der Branche auf weiter Strecke. Aber auch die anderen Verkehrsträger, wie die Bahn, fördern mit Infrastrukturproblemen und Modernisierungsstau nicht das Ansehen der Branche. Selbst das umweltfreundlichere Binnenschiff kämpft mit seiner Luftschadstoffbilanz, die kaum besser ist als der Lkw.

Die Transportleistung ist allerdings nur ein Teilbereich eines äußerst intelligenten Systems, das Wohlstand, Arbeitsplätze und Lebensqualität unseres Landes sichert, dieser Aspekt kommt viel zu kurz. Das schlechte Image macht die Branche zugleich zum Verlierer. Tausende Jobs können in der Logistik nicht besetzt werden, es fehlen nicht nur Lkw-Fahrer sondern auch nur wenige junge Menschen können sich eine Karriere als Supply Chain Manager, als Binnenschiffer, als Logistikleiter oder IT-Chef eines Logistikunternehmens vorstellen. Galionsfiguren wie Ex-Porschechef Wiedekind gibt es in der Logistik nicht. Es mangelt der Logistik an populären und allseits akzeptierten Köpfen. Da schillert nichts, da macht nichts an. Da riecht es vielmehr nach Diesel. Es fehlt der emotionale Moment eines Herstellungsprozesses, der in hochglänzenden Autoräumen Ausdruck findet oder in einem modischen Outfit.

Warum entwickelt sich die Begeisterung für diese Branche nur zögerlich?

Die Logistik hat es nicht geschafft, die negativen Vorurteile in der breiten Öffentlichkeit mit guten Argumenten abzubauen. Die Erfolge, die moderne Logistik zum Beispiel bei der Verkehrsoptimierung und der Ressourcenschonung erzielt, werden so gut wie gar nicht thematisiert. Bei ihren direkten Kunden, in der Industrie zum Beispiel, hat die Logistik allerdings ein sehr hohes Ansehen. Dort gilt der Logistiker als Problemlöser: als jemand, der hilft und die Kunden entlastet. Leider werden die „Fans“ aus der Industrie nicht in der öffentlichen Wahrnehmung zur Kenntnis genommen. In Summe ist die Logistik als Branche keine „Marke“. Sie hat es nicht geschafft, ihre Spitzenleistungen glaubwürdig und attraktiv darzustellen. Hinzu kommt, dass nur wenige Unternehmen der Logistik den Nutzen und die Notwendigkeit einer strategischen Markenführung erkannt haben. Die meisten Unternehmen platzieren ihren Firmennamen und das Logo prominent auf ihren Lkw-Planen oder es wehen ein paar Fähnchen mit Logos drauf an einem Binnenschiff, dies transportiert, wenn überhaupt, nur Bekanntheit, aber keine Inhalte. Gerade auf die Inhalte kommt es aber an: Wofür steht das Unternehmen bzw. die Marke? Was macht uns attraktiv und glaubwürdig? Welches sind unsere Spitzenleistungen? Wie können wir uns vom Wettbewerb abgrenzen? In Konsequenz führt das mangelnde Markenbewusstsein dazu, dass wir nur ganz wenige Marken in der Logistik haben, die es geschafft haben, sich klar zu positionieren.

Ein Lichtblick ist die in 2019 geschaffene Initiative „Die Wirtschaftsmacher“. Mit einer umfassenden Kampagne wird eine Aufmerksamkeit auf die Leistungen des Wirtschaftsbereichs Logistik als Ganzes gelenkt. Mit Geschichten, die jeden Tag in diesem spannenden Umfeld geschrieben werden. Mit Menschen, die sich für den Lauf unserer Wirtschaft einsetzen und deshalb tatsächlich „Helden“ sind, Genauer gesagt Logistikhelden. Erzählt und gestreut werden diese Geschichten zielgruppengenau über ausgewählte Off- und Online-Medien, um möglichst viele Menschen in und außerhalb der Logistik zu erreichen und sie hierfür zu begeistern (www.initiative.die-wirtschaftsmacher.de).

In Summe kann man dennoch festhalten, dass die Logistik ein doppeltes Markenproblem hat: Die Branche ist keine Marke sondern mit vielen Imageproblemen behaftet und die Unternehmen der Logistik haben den Nutzen und die Notwendigkeit einer strategischen Markenführung mit wenigen Ausnahmen noch nicht erkannt bzw. verwechseln oft Bekanntheit mit einer klaren Markenpositionierung. Es wäre sicherlich um ein vielfaches leichter für alle Beteiligten, wenn eine Branche aus einer Vielzahl von starken Marken bestünde, denn starke Unternehmensmarken zahlen langfristig auf das Image einer Branche ein. Dann wäre die Wahrnehmung der Logistik insgesamt in der Öffentlichkeit definitiv eine andere und auch die Unternehmen hätten es in ihrem Tagesgeschäft deutlich leichter, das notwendige Fachpersonal zu rekrutieren, sich mit ihren Spitzenleistungen vom Wettbewerb abzugrenzen bzw. sich mit einer klaren Markenpositionierung für potenzielle Kunden interessant zu machen und bei wichtigen Ausschreibungen berücksichtigt zu werden. Bei der Markenführung in Logistikunternehmen geht es primär um den Aufbau von Vertrauen. Vertrauen wird durch vier Faktoren aufgebaut: Kompetenz, Berechenbarkeit, Wohlwollen und Integrität. Gerade in der Logistik ist dies von großer Bedeutung, da ein Großteil der Leistungen austauschbar ist bzw. eine „MussLeistung“ darstellt, die wenig Spielraum für eine Alleinstellung ermöglicht. Viele Anbieter können vergleichbare Dienstleistungen anbieten, gerade bei weniger komplexen Dienstleistungen wie im Transportbereich. Erst eine klare Markenpositionierung ermöglicht es Unternehmen, sich zu vom Wettbewerb zu differenzieren, insbesondere wenn viele Dienstleistungen von den Kunden eher als „Pflichtprogramm“ wie als Spitzenleistung wahrgenommen werden. Logistikunternehmen, die die Potentiale einer starken Marke erkannt haben, arbeiten jedoch eher an der Oberfläche. Marke wird oft mit Optik bzw. einheitlicher Corporate Identity gleichgesetzt. Sicherlich fördert ein einheitlicher Marktauftritt die Bekanntheit bzw. die Wiedererkennung eines Unternehmens. Allerdings ist eine Marke viel mehr als nur eine einheitliche Außendarstellung. Eine Marke muss von innen her aufgebaut werden und erfordert ein ganzheitliches Vorgehen. Das Unternehmen sollte zuerst seine Spitzenleistungen erkennen, denn nur wer Spitzenleistungen erbringt, kann sich nachhaltig als Marke positionieren. Aufbauend auf den Spitzenleistungen lassen sich Markenkernwerte, die sogenannte DNA des Unternehmens, bestimmen. Dies ist die Basis für eine klare und einzigartige Markenpositionierung des Unternehmens. Die Markenkernwerte müssen im Unternehmen gelebt werden und sind das Regulativ für alle markenpolitischen Entscheidungen bzw. die Grundlage für die strategische Markenführung. Nur Glaubwürdigkeit und Differenzierung führen dauerhaft zu einer Resilienz der Marke und somit zu einem langfristigen und profitablen Wachstum des Unternehmens. Es gibt viele gute Ansätze in der Markenführung in der Logistik, die leider nicht immer zu Ende gedacht werden. Akquisitionen z. B. werden primär unter wirtschaftlichen Aspekten vollzogen und die Potentiale der „kombinierten“ Marke bleiben vielfach unberücksichtigt. Auch fehlt den Unternehmen oft der lange Atem, Rebranding-Maßnahmen konsequent umzusetzen.

Akquisitionen verändern die Marken-DNA

Die Nagel Group hat im April 2016 die Akquisition der MUK-Transthermos bekannt gegeben und vor einigen Wochen hat der neue CEO die längst überfällige markentechnische Integration in die Nagel Group vollzogen. Das Unternehmen firmiert heute als Nagel Transthermos GmbH unter der Marke „Nagel Group“. Die einzelnen Standorte werden nun nach Aussagen des neuen CEO sukzessive in das Nagel-System integriert, um die maximal möglichen Synergien zu heben. Hierbei ist es wichtig, zu beachten, dass mit der rechtlichen Umfirmierung der Gesellschaft und einem neuen Logo der Prozess der Markenintegration nicht beendet ist, sondern er fängt eigentlich erst an. Auch hat die Akquisition markentechnische Auswirkungen auf das angestammte Geschäft. Die Marke „Nagel Group“ ist der Inbegriff für „Frische“ und Transthermos steht für „Tiefkühl“. Der aktuelle Claim „… und Frische kennt keine Grenzen“ ist überholt. Nagel muss sich insgesamt neu positionieren in der Kategorie „Temperaturgeführte Transporte“ und seinen Markenkern überarbeiten. Um künftig auch neue Geschäftsfelder im Bereich der temperaturgeführten Transporte, wie z.B. Kosmetik oder Pharma neben der Lebensmittellogistik integrieren zu können, sollte die künftige Positionierung mit Bedacht gewählt werden und die Spitzenleistungen des ganzen Unternehmens widerspiegeln.

Markenrelaunch konsequent umsetzen

Imperial Logistics International war ein Konglomerat zusammengekaufter Gesellschaften mit völlig unterschiedlichen Schwerpunkten. Die Gesellschaften agierten autonom mit eigenen Vertriebs- und Marketingaktivitäten nebeneinander her mit der Folge, dass sich Geschäftsaktivitäten und Kundenansprachen überschnitten und das komplette Leistungsspektrum des Konzerns völlig intransparent war. Mit rund 40 Einzel-und Submarken auf drei verschiedenen Markenebenen war das Chaos perfekt. Die Lösung lautete Konzentration aller Aktivitäten unter einer Dachmarke Imperial Logistics International und Eliminierung aller Submarken. Mit viel Kommunikation und Vertrauensbildung wurden die Mitarbeiter mitgenommen und ein erfolgreicher Markenrelaunch gestaltet. Imperial Logistics International wurde innerhalb kurzer Zeit zu einer bedeutenden und angesehenen Marke positioniert. Die südafrikanische Muttergesellschaft entschied vor zwei Jahren die Aktivitäten von Imperial Logistics International und von Imperial Logistics South Africa und African Regions unter einer neuen Marke „Imperial Logistics“ zu positionieren. Dieser Markenrelaunch wurde von der Unternehmenszentrale in Südafrika gesteuert. Das Unternehmen hat es bis heute versäumt, darzulegen wofür die neue Marke stehen soll, geschweige denn, dies an die Mitarbeiter zu kommunizieren. Die Umsetzung des neuen CI/ CD lässt auch auf sich warten, auf den Straßen fahren Lkw mit dem alten Imperial-Logo, einige wenige mit dem neuen Logo und andere mit bereits eliminierten Altmarken. An den Verwaltungsgebäuden befinden sich alte und neue Logos. Dieses Beispiel zeigt, dass man einen Markenrelaunch nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. Neben der Einbindung der Mitarbeiter ist es insbesondere wichtig, klar zu kommunizieren, wofür die neue Marke stehen soll. Nicht zuletzt sollte man einen angekündigten Markenrelaunch auch konsequent umsetzen, um nicht seine Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in die neue Marke zu verlieren. Gut geführte Marken haben in der Regel eine gute Reputation an der Börse.

Die aktuellen Beispiele haben gezeigt, dass die Herausforderungen der Markenführung in der Logistik vielfältig sind. Es gibt viele gute Ansätze, die Markenführung muss jedoch konsequent zu Ende gedacht werden. In der Logistik gibt es noch viel zu tun, sowohl die Branche an sich als auch die Vielzahl der Unternehmen müssen noch ihre Hausaufgaben machen. Starke Marken sichern langfristiges Wachstum und schaffen Vertrauen als Grundlage für jede Kundenbeziehung. Nur wer eine starke Marke hat, wird sich dauerhaft im hart umkämpften Wettbewerbsumfeld differenzieren und behaupten können. Markenmanagement in der Logistik bleibt somit ein spannendes Thema.

Folge #1 – Wie man die Vermarktung für einen Aufzug aufzieht.

Prof. Dr. Rembert Horstmann

ist Professor für Marketing und Vertrieb an der CBS Cologne Business School in Köln